Ingenieure bauen die Schweiz, Band 2

Franz Betschon, Stefan Betschon, Willy Schlachter (Hrsg.):
Ingenieure bauen die Schweiz, Band 2
ca. 450 Seiten, Verlag Neue Zürcher Zeitung 2014, ISBN 978-3-03823-912-3

 

Im Frühjahr 2013 erschien innerhalb der NZZ-Libro Reihe der erste Band "Ingenieure bauen die Schweiz", ein bislang einzigartiges Kompendium jüngerer Schweizer Industriegeschichte. Darin schildern Entwickler und Produktionsexperten aus persönlicher Sicht, wie sie ihre Industrieprodukte und Dienstleistungen in den Bereichen Maschinenbau, Produktionstechnik, Infrastrukturbauten, Land- und Luftfahrzeuge, Optik- und Uhrenindustrie, Informations- und Kommunikationstechnik an die Weltspitze brachten. Bei den Autoren überraschte der relativ hohe Anteil an Industriephysikern, was als Indiz gewertet werden kann, dass man auch in diesen klassischen Ingenieurbereichen sowohl an Technologiegrenzen stiess als auch neue Technologieansätze suchen musste.

Da dieser erste Band erfreulicherweise bereits kurz nach seinem Erscheinen vergriffen war, wurde jetzt die zweite und überarbeitete Auflage zusammen mit einem ergänzenden zweiten Band präsentiert.

Für das Vorwort zu diesem zweiten Band konnte Alt-Bundesrat Kaspar Villiger gewonnen werden. Unter dem Titel "Woher der Wohlstand kommt" geht er auf verschiedene Erfolgsfaktoren ein, so den Liberalismus der Schweiz, die Eigenverantwortung des Unternehmenden, den Mut, sich von alten Strukturen rechtzeitig zu lösen und auf neue Möglichkeiten umzuschwenken, und das nicht nur gerühmte, sondern auch in der Praxis umgesetzte duale Ausbildungssystem für Ingenieure in der Schweiz.

Im zweiten Band gibt es eigene Kapitel zur Luft- und Raumfahrt, Architektur, Hydromaschinen, Turbolader, Halbleitertechnik, Sensorik, Pharmazie und Medizintechnik. In den Beiträgen zur Messtechnik und Sensorik finden sich für Physiker interessante Berichte von Autoren der Universität Basel über die Familie der Raster-Sonden-Mikroskope und ihre Rolle bei der Erschliessung der Nanowelt, sowie über bildgebende Methoden mit Röntgen- und kalten Neutronenstrahlen am PSI. Röntgen- und Neutronenverfahren ergänzen sich bestens wegen ihres unterschiedlichen Absorptionsverhaltens in Materie, allerdings sind wegen der geringen Neutronenintensitäten lange Messzeiten erforderlich.

Das letzte Kapitel widmet sich der bis heute zu wenig beachteten Innovationskraft von Frauen in Ingenieurberufen.

Obwohl alle Artikel persönlich gehalten sind und damit primär rückblickend, lassen sie auch Ausblicke erkennen. Exemplarisch sind die Ausführungen von Simon Aegerter im Kapitel Energieinfrastrukturen unter dem Titel "Vor einer Wegscheide". Selbst wenn in der Schweiz aus politischen Gründen in absehbarer Zeit keine neuen Kernkraftwerke gebaut werden können, wird die Welt auf die Kernkraft nicht verzichten, denn zu gross sind die Vorteile neuer Kraftwerksgenerationen. Die Schweiz wäre also wohlberaten, ihr Spezialistenwissen in diesen Prozess einzubringen und nicht abseits zu stehen. Das hätte durchaus Parallelen: Die Schweiz baut zwar auch keine eigenen Autos mehr, ist aber dank ihrer Innovationsstärke eines der wichtigsten Zuliefererländer dieser Branche.

Was ebenfalls nicht aus den Augen verloren werden sollte, ist die vollständige digitale Vernetzung in der industriellen Produktion unter dem Schlagwort "Industrie 4.0", die zu massivem Umdenken zwingen wird. Man sollte deshalb das existierende und historisch auf handwerklichen Fähigkeiten basierende duale Bildungssystem der Ingenieure durch moderne "Dual-Digitale" Systeme ergänzen.

Bernhard Braunecker

 

[Veröffentlicht: März 2015]